Die Straßen im Ostpreußenviertel

und denkmalgeschützte Häuser an den Straßen


Wer vom S-Bahnhof Heerstraße zum Teufelsberg läuft, dem fällt auf, dass die Straßen links und rechts der Teufelsseechaussee Namen von Städten tragen, die vertraut klingen, aber die kaum jemand mehr kennt. Das liegt daran, dass die Straßen der Siedlung Heerstraße und der Wohnquartiere hoch bis zur Havel und zum Olympiastadion während ihrer Bauzeit (1914-1939) nach ostpreußischen Orten und Städten benannt wurden, die heute zu Polen oder Russland gehören.  Wir möchten an dieser Stelle etwas über die Geschichte der ostpreußischen Namenspatronen der Straßen rings um den Teufelsberg schreiben und kurz umreißen, was der geneigte Ausflügler an interessanten Häusern und Plätzen im Westend finden kann. Wesentlich ausführlicher nachlesen können Sie interessante Geschichte(n) zu den Straßen, Häusern und früheren Bewohnern des Ostpreußenviertels in meinem im Frühjahr 2013 im Pharus-Plan-Verlag erscheinenden Stadtteilführer.

Straßenzüge nördlich der Heerstraße

 

Sensburger Allee
Name seit dem 16. Januar 1925, vorher Straße 17
In der Sensburger Allee im Westend 
ist in der Nr. 25 das Haus der Bildhauers Georg Kolbe zu besuchen, heute ein Museum der Bildhauerei. Im ehemaligen Atelierhaus Kolbes gleich nebenan ist heute das gemütliche Kunstcafé K untergebracht. Weitere sehenswerte und denkmalgeschützte Bauten sind das Haust Nr. 5a, erbaut von Sami Mousawi 1968; das Haus Nr. 3, das ehemalige Verbindungshaus der Thuringia (Architekt: Fritz Freymüller, 1930). Haus Nr. 7, 1937 vom Architekten Kurt Bornemann errichtet; das Haus Nr. 19a “Müllerburg” genannt sowie die Typenhäuser des Reichsarbeitsdienstes (1941 errichtet) – Nr. 1, 8 und 10.

Pillkaller Allee
Name seit dem 16. Januar 1925, vorher Straße 13


Foto links: Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25

Fotos unten: Typenhäuser des Reichsarbeitsdienstes, erbaut 1941 in der Sensburger Allee.

Mohrunger Allee

Name seit dem 16. Januar 1925, vorher Straße 12. Sehenswert ist das Haus von der Schulenburg in der Nr. 2a, errichtet 1935 unter der Leitung des Architekten Heinrich Schweitzer.

Sarkauer Allee
Die Sarkauer Allee heißt seit dem 26. Juli 1927 so, davor hieß sie Straße Nr. 3.

Tannenbergallee
Aufgrund der Schlacht bei Tannenberg erhielt auch die Berliner Straße ihren Namen im Herbst 1914. Sehenswert ist die Friedenskirche (Hausnr. 6) von 1932 und das Wohnhaus von Hans Poelzig (Architekt) in der Nr. 28.  Die Friedenskirche wurde von Emil Fangmeyer in den Jahren 1928-1932 entworfen. Für den Bau verwandte man ein altes Ateliergebäudes, das 1916 von Georg Schmidt für einen Bildhauer Wandschneider errichtet wurde. Das Atelier wurde bereits ab 1926 von der evangelischen Gemeinde Heerstraße als Notkirche genutzt.Insterburgallee
Die Berliner Insterburgalle bekam 1914 bzw. im Teil nördlich der Heerstraße 1923 ihren Namen, davor hieß sie Straße 14.

Tapiauer Allee
Die Tapiauer Allee unterhalb der Terrassenhäuser heißt seit dem 26. Juli 1921 so, davor hieß sie Straße 45a.

Foto links: Insterburgallee


Straßenzüge südlich der Heerstraße

Lyckallee

Die Lyckalle erhielt noch während des Ersten Weltkrieges ihren Namen und sollte damit an die deutsch-russischen Kämpfe in den Masuren erinnern. Sehenswert sind die denkmalgeschützten Häuser Nr. 6, 14/16, 30, 32, 34, 42, 44 und 45.
Das Wohnhaus Lyckallee 6 wurde von Fritz Klingholz entworfen und 1914 erbaut (Bild unten links). Klingholz war Architekt vieler deutsche Bahnhöfe, so z.B. des Empfangsgebäudes des S-Bahnhofs Schöneberg und der Koblenzer, Wormser, Wiesbadener und Lübecker Hauptbahnhöfe.

Das Haus 30 wurde für die Naamloose Vennootschap voor Bankcommissiezaken en Beheer aus Amsterdam erbaut. Der Architekt war 1929–30 Fritz Marcus. Heute befindet sich hier der Kindergarten der privaten Scheleschule.

Im Haus 34, das 1935–36 von Otto Kuhlmann (u.a. Erbauer der Ev. Johanniskiche Lichterfelde und des Rathauses in Erkner) wohnte damals der  Fabrikant Friedrich Wehrmann. Das Haus 42, welches 1921–22 unter der Leitung von Hans Liepe errichtet wurde, ließ 1932 der Fabrikant Hans Raether (seit 1908 Mitglied der antroposophischen Bewegung Rudolf Steiners) großzügig umbauen. Das Haus 44 Ecke Johannisburger Allee wurde ebenfalls 1921–22 von Hans Liepe entworfen und 1936–37 für den Fabrikanten Bernhard Lamparsky (Obstkonserven Werder) umgebaut (Bild unten rechts). Gegenüber liegt das Haus 45, das 1936 von Heinz Scheidling für Theaterdirektor Hans Wölffer errichtet.

Ortelsburger Allee
Die Ortelsburger Allee ist wohl zwischen 1914 und 1916 in Erinnerung an Schlachten im Ersten Weltkreig so benannt worde.

Johannisburger Allee
Die Johannisburger Allee heißt seit 1925, bzw. die Kurve bis zur Tapiauer Allee seit 1959 so. Denkmalgeschützt ist das Haus Nr. 12, erbaut um 1937.

Hohensteinallee
Die Berliner Straße wurde 1923 benannt, sehenswert ist das denkmalgeschützte Haus Nr. 4 (erbaut um 1936).


Kranzallee
Die Kranzallee trägt seit 1923 ihren Namen, der übrigens falsch geschrieben ist, denn das Seebad in Ostpreußen hieß seit 1893 Cranz mit C. Bemerkenswert sind in der Kranzallee die vielen denkmalgeschützten Häuser: Nr. 8-10, 13, 19, 23, 24, 29 und 36.

Die Terrassenhäuser zwischen Kranzallee und Tapiauer Allee wurden 1969-1972 von der Degewo erbaut, Architekten waren Jan und Rolf Rave: Sie bestehen aus elf Häuserzeilen auf 4-5 Geschossen mit insgesamt 53 Eigentumswohnungen.
Gegenüber liegt an der Kranzallee 8/10 die Remise und das Wohnhaus für Angestellte der einstigen Villa d’Avance, die 1923–24 von Harry Rosenthal errichtet wurden. Der Bauherr des Anwesens war der Bankier George D’ Avance.
Das Haus 13 war langezeit das Pfarrhaus der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Heerstraße (Bild unten links). Es wurde 1928–29 von Erich Blunck errichtet, heute sind Eigentumswohnungen im alten Pfarrhaus. Das Haus Kranzallee 19 wurde 1932–33 von Günther Werner-Ehrenfeucht für seine Schwägerin Lucy Werner-Ehrenfeucht entworfen, beide liegen auf einer gemeinsamen Grabstätte auf dem Waldfriedhof Dahlem. Das Haus 23 wurde 1928–30 unter der Leitung des Architekten Heinrich Möller für den Fabrikanten Max Seidel errichtet (Bild unten rechts).

Die Häuser Kranzallee 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52 und 54 wurden 1958 von Rudolf Ullrich, Alfred Gellhorn und Leo Lottermoser für Angehörige der britischen Militärregierung entworfen.


Rauschener Allee
Die kurze Allee heißt seit 1925 nach Rauschen, davor war es die Straße 46.

Stallupöner Allee
Sehenswert in der Stallupöner Allee, die seit 1923 so heißt, ist das “getarnte” Haus Nr. 19-23 des ehemaligen Mittelwellensenders (nach dem Krieg des Sender Freies Berlin), dessen Sendemasten 2006 abgerissen wurde. Das Haus wurde als Verstärkeramt für Telefongespräche mit einer Bunkeranlagen und einem Wohnhaus für die Reichspostdirektion 1935-1936 unter der Leitung des Architekten Hans Wolff-Grohmann errichtet (Bild unten links). Der RBB verkaufte das Sendergrundstück samt Haus und Bunker 2011. Auch bemerkenswert ist das Haus Nr. 37 (Bild unten rechts), das 1937 von Egon Eiermann entworfen wurde. Eiermann war Schüler von Hans Poelzig (s. Tannenbergallee) und Weggefährte von Walter Gropius und Mies van der Rohe. Wichtige Bauten: u.a. die neue Gedächtniskirche und der Lange Eugen, ein Bonner Abgeordnetenhaus.

Ragniter Allee
Die Straße im Westend heißt seit 1925 so, vorher war es die Straße 43.

Straßenzüge in der “Siedlung Heerstraße”
Die Gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße sollte hier zwischen Grunewald und Heerstraße Reihen- und Doppelhäuser für Beamte errichten. Bauherr war Bruno Möhring, erste Planungsentwürfe gehen auf Max Taut zurück. In den über 200 Häusern lebte die Gartenstadtidee jener Zeit auf, 1921 wurde ein Siedlerverein gegründet – der heute älteste Deutschlands. Seit etwa 1921-1925 heißen auch die Straßen in der denkmalgeschützten Siedlung nach ostpreußischen Orten. Die meisten Siedlungshäuser wurden zwischen 1919 und 1926 errichtet.

Historische Fotos aus Gorgas, Kurt (1929): Die Gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße. Berlin: Balczus Verlag.